Kämpfe der Mingong


[Beitrag aus der Beilage Unruhen in China, wildcat #80, Dezember 2007, mit Beispielen für Kämpfe von WanderarbeiterInnen in China; siehe auch den Artikel Gesichter der Wanderung – Lage und Proteste der «neuen» Arbeiterklassen]


Bau

2007

  • Im Juli wurden auf der Baustelle eines Wasserkraftwerks in der Provinz Guangdong dreihundert streikende Arbeiter von Schlägern angegriffen. Dabei gab es viele Verletzte, ein Arbeiter starb im Krankenhaus. Die Angriffe gingen auch weiter, nachdem die Polizei angekommen war. Die Arbeiter streikten, weil sie seit vier Monaten keinen Lohn mehr bekommen hatten. Immerhin verhaftete die Polizei den Chef des Firmen-Sicherheitsdienstes und den Baustellenleiter.
  • Im August hinderte die Polizei in Beijing dreihundert mingong-Bauarbeiter daran, zum Tian’anmen-Platz zu demonstrieren. Die Arbeiter wollten damit gegen Lohnbetrug protestieren, sie hatten seit einem Jahr keinen Lohn bekommen. Als sie sich zur Demo versammelten, tauchte die Polizei mit Bussen auf, zwang die Arbeiter einzusteigen und transportierte sie ab.

Fabrik

2004

  • US-Kundenunternehmen des taiwanesischen Schuhherstellers Stella drangen darauf, dass die Arbeitszeiten verkürzt werden, weil die Firmen nicht die Kritik von Anti-Sweatshop-Gruppen auf sich ziehen wollten. Die Arbeiterinnen waren damit nicht einverstanden, weil es für sie vor allem weniger Lohn bedeutete. Einer der Manager sagte hinterher: «Wir hatten nicht verstanden, dass für Arbeiter einhundert Yuan ein bedeutender Betrag ist.» Es kommt zu Protesten, Streiks und Randale von tausenden Arbeitern in zwei Stella-Fabriken in Dongguan. Dabei wurde Firmeneigentum zerstört, Manager wurden verletzt. Polizisten schlugen den Riot nieder, einhundert Arbeiter wurden verhaftet. Prozesse gab es gegen insgesamt zehn Arbeiter, denen Gewalttätigkeit, Zerstörung von fremden Eigentum, Körperverletzung und so weiter vorgeworfen wurde. Einer der Anwälte machte in seinem Plädoyer auf die Hintergründe aufmerksam: Schon lange waren die Arbeiter erbost, weil die Bedingungen in den Fabriken unerträglich waren. Elf Stunden Arbeit an sechs Tagen die Woche, schlechtes und mangelhaftes Essen, verspätete Lohnzahlungen. Es gab relativ milde Verurteilungen, und bis Ende 2004 kamen alle frei. Dies ist wohl auch dem Druck internationaler NGOs und Schuhfirmen zu verdanken.
  • Fünfhundert ArbeiterInnen einer Fabrik des japanischen Büromaschinenherstellers Ricoh in Shenzhen traten in den Streik, weil ein japanischer Manager weibliche Beschäftigte obszön beschimpft und als schwachsinnig bezeichnet hatte. Erst als sich der Schweinehund am nächsten Tag entschuldigte, wurde der Streik beendet.
  • Ebenfalls in Shenzhen protestierten hunderte ArbeiterInnen einer Haushaltsgerätefabrik gegen die geplante Verlagerung der Fabrik ins billigere Zhuhai und für Abfindungen und die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen. Als die Streikenden vor das Tor wollten, gab es Auseinandersetzungen mit dem Werkschutz, der sie nicht raus lassen wollte.

2005

  • In Shenzhen traten dreitausend Arbeiter der Uniden Electronic (produziert schnurlose Telefone) spontan in den Solidaritätsstreik mit einem entlassenen Kollegen, der für gewerkschaftliche Organisationsfreiheit eingetreten war. In dem Werk hatte es vorher etliche kurze Streiks und Diskussionen um die Gründung einer eigenen Gewerkschaft gegeben. Dem Solidaritätsstreik schlossen sich fast alle zehntausend Beschäftigten an. Hinzu kamen Forderungen zu Arbeitszeit, Lohn, sanitären Einrichtungen und dem Verhalten der Vorgesetzten. Im Zentrum des Streiks stand die Forderung nach einer eigenen Gewerkschaft. Das war neu in China. Die Behörden reagierten mit Repression, die Streikenden wurden in der Fabrik eingeschlossen, ein Rauskommen mit Gewalt verhindert. Der Streik dauerte eine Woche. Dann waren die Arbeiterinnen eingeschüchtert, die Streikführer verschwunden und viele entlassen. Zwei Monate später gab das Unternehmen bekannt, dass es die Produktion von Shenzhen nach Laguna (auf den Philippinen) zurück verlagern will, mit ausdrücklichem Bezug auf den Streik. Erst zwei Jahre zuvor war das Werk in Laguna geschlossen und die Produktion nach Shenzhen verlagert worden, wegen der niedrigeren Arbeitskosten in China.
  • Ebenfalls in Shenzhen demonstrierten eintausend Arbeiter einer Druckerei gegen längere Arbeitszeiten und Abzüge vom Lohn. Der Grund war, dass die Geschäftsführung die Verlängerung der täglichen Arbeitszeit von acht auf zehn Stunden, sowie die Einführung von Abzügen für Essen und Unterkunft angekündigt hatte. Bisher waren Kost und Logis gratis. Die Arbeiter beendeten den Protest, als die Geschäftsführung einen Rückzieher bezüglich der Arbeitszeitverlängerung machte und versprach, die Qualität des Essens in der Fabrik zu verbessern.
  • In Dalian gab es in siebzehn japanischen Firmen eine Serie von Streiks (im zeitlichen Zusammenhang mit anti-japanischen Studentendemonstrationen in Beijing und anderen Städten). Dabei ging es um Löhne, Unterkünfte und Probleme mit der
    Kantine. Die streikenden Arbeiter legten die Arbeit zu verschiedenen Zeiten für jeweils einige Tage nieder. Die Polizei griff ein, einige Rädelsführer wurden verhaftet.
  • In Shenzhen streikten dreitausend ArbeiterInnen der Sofa-Fabrik des italienischen Herstellers DeCoro gegen Lohnkürzung und den Rassismus der Vorgesetzten. Die Lohnzahlungen waren niedriger ausgefallen als erwartet, und zehn ArbeiterInnen beschwerten sich darüber. Sie wurden entlassen und bei dem Versuch, die Fabrik wieder zu betreten, von ausländischen Vorgesetzten zum Teil krankenhausreif geschlagen. Offenbar schlagen die Vorgesetzten dort recht gerne zu. Auch Anfang 2007 traten bei DeCoro hunderte Arbeiter in den Streik, nachdem drei Kollegen, die höhere Entschädigungen gefordert hatten, geschlagen worden waren.

2006

  • In Xiamen gingen dreihundert Arbeiterinnen der NEC Tokin Electronics in den Streik, weil sie gehört hatten, dass einige verwendete Chemikalien giftig sind und sie viele beschriebene Gesundheitsstörungen bei sich selbst bemerkt hatten. Sie verlangten bessere Arbeitsbedingungen und Zulagen für Medikamente. Die Firma stimmte den Forderungen zu.
  • In Dongguan protestierten Arbeiter der Spielzeugfabrik Merton zwei Tage lang wegen schlechter Löhne und Unterbringung. Der Protest begann im firmeneigenen Arbeiterwohnheim und entwickelte sich zum Riot, dem sich über tausend Arbeiter anschlossen. Dutzende wurden verhaftet. Die Grundlöhne entsprachen dem Mindestlohn, aber andere gesetzliche Vorgaben (bezüglich Überstunden, Lohnabrechnung, Feiertagsfreistellung, Sozialversicherung) wurden nicht eingehalten. Die Verpflegung war schlecht, und trotzdem wurde den Arbeitern für Kost und Logis ein Viertel ihres Lohn abgezogen.
  • Dreitausend ArbeiterInnen der Möbelfabrik Siu Fung in Shenzhen (mit Kapital aus Hongkong) streikten gegen überlange Arbeitszeiten und unwürdige Behandlung. Sie mussten 12 Stunden arbeiten, erhielten aber keine Überstundenzulagen. Für den Gang auf die Toilette mussten sie einen Schein abholen. Sicherheitsleute sollen mehrfach Arbeiter geschlagen haben. Die ArbeiterInnen marschierten zum Gästehaus des Staates, wurden aber von Riot-Polizei aufgehalten, und es kam zu Rangeleien (siehe Interview S. 24 in der wildcat-Beilage).
  • In Guangzhou blockierten mehr als dreihundert Arbeiter einer Schuhfabrik eine Autobahn, weil sie drei Monate lang keinen Lohn bekommen hatten. Am Vortag war das Management abgehauen und hatte per Fax mitgeteilt, dass die Fabrik pleite ist. Die Polizei räumte die Blockade.

2007

  • In Shenzhen protestierten mehr als zweihundert ArbeiterInnen gegen die Schließung der Huangxing Light Manufacturing. Die Fabrik war plötzlich geschlossen worden, achthundert Beschäftigte hatten ihren Job verloren. Die ArbeiterInnen blockierten die Fabrik und verlangten von den Behörden Hilfe, um Abfindungen von der Firma zu kriegen. Sie versuchten auch, eine Hauptstraße zu blockieren. Einige wurden verhaftet, später aber wieder freigelassen, nachdem die KollegInnen eine Polizeistation belagert hatten. Auslöser der Fabrikschließung soll gewesen sein, dass Walt Disney, der Hauptkunde, seine Aufträge zurückgezogen hatte, nachdem die Fabrik der Überausbeutung der Beschäftigten beschuldigt worden war.
  • Tausende Arbeiter (die meisten davon Frauen) der Plastikweihnachtsbaumfabrik Baoji Artefacts in Shenzhen streikten gegen die langen Arbeitszeiten und Entlassungen ohne Abfindung. Fünf Stunden lang widerstanden die Arbeiterinnen dem Versuch einiger hundert Polizisten, die Streikenden auseinanderzutreiben. Erst heftiger Regen löste die Menge auf. Eine Streikende wurde von Polizisten geschlagen, es gab einhundert vorübergehende Festnahmen.
  • Im August traten tagelang tausende ArbeiterInnen aus zwei Fabriken der Feihuang Electronic in Shenzhen in den Streik und demonstrierten  auch außerhalb. Es gab etliche Verhaftungen. Die Fabrik gehört dem deutschen Unternehmen CEAG AG und produziert Akkus und Ladegeräte für Mobiltelefone. Neunzig Prozent der Beschäftigten sind Frauen aus den Inlandsprovinzen Sichuan, Hunan, Hubei. Die Fabrik hatte von ihnen verlangt, pro Stunde neunzig Ladegeräte mehr zu produzieren. Falls sie das nicht schafften, sollten sie die fehlende Stückzahl nach ihrer Schicht nacharbeiten, andernfalls würde ihnen der Grundlohn gekürzt. Die Streikenden stellten schriftlich Forderungen an die Geschäftsleitung und die lokale Arbeitsbehörde: Lohnerhöhung, Nachtschichtzulage, gesetzliche Sozialversicherung, sauberes Trinkwasser in der Fabrik. Die Arbeitsbehörde schaltete sich ein, und das Management bot Verhandlungen an. Dies gestaltete sich aber schwierig, denn die Streikenden wollten keine Vertreter schicken, weil sie fürchten, dass diese dann Repressionen ausgesetzt sind.

[Quelle: www.umwaelzung.de]

 

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