von Bao Chengliang
[Erzählung aus der chinesischen Fassung des Buches von Pun Ngai, Lu Huilin, Guo Yuhua, Shen Yuan: iSlaves. Ausbeutung und Widerstand in Chinas Foxconn-Fabriken. Wien, 2013]
Ich traf Fang im örtlichen Krankenhaus in Shenzhen-Guanlan. Allein und still lag er da und bekam eine Infusion. Über ihm hing der Tropf mit Kochsalzlösung. Er sah erschöpft aus und hatte sein Augenbrauen zusammengezogen, als denke er über etwas nach. Fang sprach mit einer sanften und tiefen Stimme, und man hörte ihm gerne zu. Als er später erzählte, dass es in der Produktionshalle laut ist und sich deswegen alle das Brüllen angewöhnen, musste ich schmunzeln. Fang mit seiner sanften Stimme musste eine Ausnahme sein. Er stammt aus Hainan und ging auf eine mittlere Berufsschule, die einen Vertrag mit Foxconn abschloss. Daher kam er bereits in der dritten Klasse zum Praktikum zu Foxconn. Danach blieb er in der Firma und hatte nun schon fast sechs Jahre dort gearbeitet.
Die ersten Tage
Fang fing im Jahr 2004 bei Foxconn an. Zu diesem Zeitpunkt existierte noch das von den ArbeiterInnen spaßeshalber “Foxconns Whampoa-Militärakademie”1 genannte Schulungszentrum, und die ArbeiterInnen mussten eine strenge Ausbildung durchlaufen, bevor sie mit der Fabrikarbeit anfingen. Das Schulungszentrum war eine eigenständige Abteilung bei Foxconn. Nach Abschluss der dortigen Ausbildung wurden die ArbeiterInnen auf die einzelnen Produktionshallen aufgeteilt. Teil der Ausbildung waren u.a. körperlicher Drill sowie das Lernen und Üben von Arbeitsschritten. Der strenge, körperliche Drill dauerte jeden Tag eine Stunde. Foxconn beschäftigte dafür Ausbilder, von denen die meisten vorher tatsächlich beim Militär gedient haben. Jeden Tag wurde dann zwei Stunden lang u.a. der Vorschriftenkatalog Foxconns gelernt. Die Arbeitsschritte wurden täglich acht Stunden lang geübt. Egal ob FacharbeiterInnen oder einfache ProduktionsarbeiterInnen, sie alle mussten an die Produktionslinie zum Arbeiten. Das nannte sich “von unten nach
oben arbeiten”. In der Ausbildungszeit wurde kein Lohn gezahlt, aber die Firma stellte den ArbeiterInnen Essen sowie Unterkunft zur Verfügung und gab ihnen ein Taschengeld von 120 Yuan. Die Ausbildung war anstrengend. Viele derer, die mit Fang angefangen hatten, ertrugen die militärischen Übungen nicht und gingen vor Ende der Ausbildung wieder, vor allem junge Frauen. Das Schulungszentrum ähnelte auch einem Zwischenlager für ArbeiterInnen. Wurden in den Produktionshallen dringend Leute gebraucht, so fielen die Schulungen aus oder dauerten nur zwei Tage. Danach wurden die Leute direkt zum Arbeiten geschickt. Wurden gerade wenig Leute gebraucht, mussten die ArbeiterInnen für längere Zeit den Drill im Schulungszentrum mitmachen.
Fang hatte einen Monat am Drill teilgenommen und arbeitete seitdem in der Abteilung für Metallbearbeitung. Diese hat enorme Ausmaße und nimmt den gesamten C-Block des Industrieparks in Shenzhen-Guanlan ein. Die Maschinen in dieser Abteilung sind groß und teuer. Die Bedienung der Maschinen muss genau nach Vorschrift erfolgen. Der Führungsstil ist äußerst streng. “Wir haben relativ große Maschinen. Jede kostete einige Millionen. Wir führen nur einfache Wartungsarbeiten aus, für die eigentliche Instandhaltung kommen Spezialisten. Die Maschinen sind sehr ausgefeilt, und wenn es ein Problem gibt, dürfen wir sie auf keinen Fall anfassen. Läuft was schief, wirst du verantwortlich gemacht. Wenn etwas außerhalb deines Zuständigkeitsbereichs liegt, dann kümmerst du dich auch nicht darum.Selbst wenn dir was nicht gefällt, kannst du nichts verändern, denn du brauchst eh ein Passwort. Wenn du keine Befugnisse hast, wird dir der Zugang verweigert.” Unter Umständen sind die Vorgaben von Foxconn so streng und unflexibel, dass sie den ArbeiterInnen überhaupt keine eigenen Entscheidungsmöglichkeiten geben. Fang gab ein Beispiel: “Wenn der Vorgesetzte verlangt, dass du eine Aufgabe so oder so durchführst, musst du seine Anweisungen befolgen, auch wenn du feststellst, dass es nicht funktioniert. Du kannst dann schriftlich
weitere Anweisungen anfordern, aber du selbst darfst nichts ändern.”
Die riesigen Maschinen sind so laut, dass während der Arbeit Ohrstöpsel getragen werden müssen. Die Firma stellt die Ohrstöpsel zur Verfügung, unternimmt aber keine weiteren Schutzmaßnahmen. “Durch die Ohrstöpsel hört man den Lärm nicht mehr so, aber wenn zwei miteinander reden wollen, müssen sie sich anbrüllen. Die Leute aus unser Abteilung reden alle eher laut. Die Stimme unseres
Abteilungsleiters ist besonders laut. Wenn wir Versammlung haben, braucht er keinen Lautsprecher. Er reicht, wenn er brüllt.”
Anfangs hatte Fang zu den nicht formal Beschäftigten gehört, und sein Grundlohn hatte bei nur etwa 400 Yuan gelegen. Mit Überstunden war er auf 800 bis 900 Yuan gekommen. Mittlerweile war Fang Mitarbeiter zweiten Ranges und verdiente mit Überstunden 3.300 Yuan. Laut Fang hat sich sein Lebensstandard allerdings kaum verbessert: “Damals waren die Lebenshaltungskosten niedrig, jetzt sind sie weit höher. Offen gesagt, hat sich seit damals nicht viel geändert.” Fang arbeitete jeden Tag zehn Stunden plus zwei Überstunden, also von morgens acht Uhr bis abends acht Uhr. Jede Woche hatte er einen Tag frei. Anfangs hatte er viel mehr Überstunden gemacht. “Damals hatten wir kaum frei. In der Regel gab es nur alle zwei Wochen einen Ruhetag. Wenn viel zu tun war, fiel der auch noch weg.”
An die erste Zeit in der Fabrik kann er sich nach den unzähligen Arbeitstagen kaum noch erinnern. Fang versuchte es, merkte aber, dass es schwer war, sich noch etwas ins Gedächtnis zurückzurufen. Er war immer noch auf Wanderschaft hier draußen in der Fremde, hatte weder ein eigenes Geschäft noch eine eigene Familie, und alle seine Gedanken drehten sich um Fleiß und Arbeit.
Der Arbeitsdruck ist hoch, das Leben ein Kampf
Mittlerweile war Fang Linienführer, aber als solcher musste er sich um viele Dinge kümmern, und der Arbeitsdruck war enorm. “Manchmal macht die Produktionsplanung Probleme. Wenn du die Produktionsvorgaben nicht erfüllst, üben deine Vorgesetzten Druck aus. Du musst auf jeden Fall die vorgegebenen Produktionszahlen erreichen. Der Druck ist enorm.” Linienführer stehen bei Foxconn oft zwischen den Fronten. Sie müssen auf den Druck von oben reagieren und gleichzeitig die Stimmung der ArbeiterInnen berücksichtigen. Das ist schwer. Obwohl die Linienführer in der Praxis “leitende Funktionen” haben, werden sie in der Foxconn-Hierarchie nicht als Führungskräfte gesehen und haben keine Führungsbefugnisse. Auf Fangs Lohnbescheid stand auch kein entsprechender Eintrag.
Die Arbeit der Linienführer ist nicht leicht. Fang ist zwar ein zurückhaltender Mensch, aber er kann auch wütend werden. Meistens passierte das, wenn ArbeiterInnen etwas falsch machten, und die Maschinen dadurch kaputt waren. “Es gibt Beschäftigte, die einfach nicht zuhören, wenn du ihnen etwas erklärst. Sie halten sich bei der Maschinenbedienung nicht an unsere Vorschriften, sodass diese dann ausfallen. Das ist ärgerlich. Wenn es Probleme mit den Maschinen gibt, kommt wer von oben und untersucht das. Wenn sich herausstellt, dass etwas nicht den Vorschriften nach erledigt wurde, kann das schwere Folgen haben.” In solchen Situationen musste Fang als Linienführer bereits gegenüber den Vorgesetzten die Verantwortung übernehmen. Auch wenn er dann nicht bestraft wurde, waren die Beschimpfungen manchmal kaum zu ertragen.
Im Juli und August jenes Jahres hatte Fang erneut Sorgen bei der Arbeit. Mehrere Gruppen von BerufsschülerInnen kamen in die Produktionshalle. Jede Gruppe bestand aus einhundert Leuten, und
insgesamt waren drei- bis vierhundert in der Halle. Dadurch dass plötzlich so viele BerufsschülerInnen kamen, sank die Qualitätsquote erheblich. “Vorher lag unsere Ausschussrate bei drei oder vier Stücken täglich. Nun lag sie manchmal bei zwanzig bis dreißig Stück am Tag, manchmal auch bei dreißig bis vierzig in einer Stunde. Wir dürfen die festgesetzte tägliche und monatliche Ausschussmenge nicht überschreiten, zum Beispiel eine monatliche Obergrenze von höchstens zwei von hundert Stück. Wenn man die nicht einhält, ist das gegenüber den Vorgesetzten kaum zu rechtfertigen.” Fang wusste nicht, warum so viele BerufsschülerInnen gekommen waren, aber er hatte das Gefühl, dass die Produktionsmenge wieder angestiegen war. Es war nicht leicht,
Produktionsmengen und Qualitätsstandards einzuhalten, und er brauchte Geduld, um den BerufsschülerInnen die Bedienung der Maschinen beizubringen.
Hoffen auf mehr Freizeit
Fang fand die Arbeit anstrengend und hätte gerne mehr Freizeit. Er fürchtete aber, dass sein Lohn zu niedrig ausfiele, wenn er weniger Überstunden machte. “Ich würde gern mehr frei haben. Ich muss mich öfter ausruhen. Das passiert gerade zu wenig, und da ist man schnell ausgebrannt. Jetzt arbeite ich von acht Uhr morgens bis acht Uhr abends, also viel zu lange. Dazwischen gibt es zwar eine Pause, aber da kann ich nicht schlafen. In der einen Stunde schafft man nicht beides, zu essen und zu schlafen. Zwei Stunden Mittagspause wären besser, aber dann kommt man nicht mehr auf genug Überstunden. Deswegen müsste der Grundlohn angehoben werden, dann klappte das auch mit weniger Überstunden. Am 1. Mai (Feiertag in China) machen wir auch Überstunden. Sie sind zwar nicht obligatorisch, aber ich traue mich trotzdem nicht [sie nicht zu leisten]. Um das nochmal zu sagen, wenn du Überstunden machst, ist der Lohn höher, aber nach den Überstunden bist du auch erschöpft. Eigentlich hätte man sich erholen können, aber jetzt muss man Überstunden machen. Einige Beschäftigte wollten auch keine machen, aber als sie die anderen weiterarbeiten sahen, war
ihnen das peinlich. Wenn du dir in dem Moment einen Tag frei nimmst, dann bist du alleine, also machst du dann doch Überstunden.”
Wir trafen Fang im Hochsommer. Es war heiß, und es gab einen hohen Krankenstand. Jeden Tag nahm Fang die Krankenliste und ging zum Abzeichnen zum Abteilungsleiter. Der war jedes Mal unzufrieden. “In Shenzhen regnet es ständig, und viele Beschäftigte werden krank. Bei mir sind es mehr als vierzig Leute. Jeden Tag melden sich welche krank, heute war ich also dran.
Ich musste zum Abzeichnen beim Abteilungsleiter. Er fragte, wie das denn sein könnte, und ich antwortete, das ließe sich nicht ändern. Das Wetter ist halt so.”
Wann wirst du das Geld zusammen haben?
Als wir ihn nach den Lebenshaltungskosten fragten, verzog Fang das Gesicht: “Hier wird die Miete ständig erhöht. Vorher haben wir 170 Yuan gezahlt, jetzt ist sie auf 240 Yuan erhöht worden. Sie
steigt viel zu schnell. Als Foxconn vor Kurzem die Löhne anhob, machten sie einen Sprung. Einige einzelne Zimmer kosten jetzt gar 400 Yuan. Hier können alle davon erzählen. Wenn Foxconn mal den Lohn erhöht, wird das von den Vermietern gleich aufgefressen. Im Grunde wird dann jede Bude und jedes Loch teurer. Hier waren es erst 20 Yuan, später nochmal 50 Yuan. Du weißt nie, wann die nächste Erhöhung kommt.” Die Miete macht einen großen Teil der Ausgaben aus. Fang lebte zu der Zeit in einer Wohnung, die relativ weit von der Fabrik entfernt war. Er zahlte 320 Yuan pro Monat, aber er wusste nicht, was die Wohnung im nächsten Jahr kosten würde. So sah der Wohnungsmarkt in den Stadtbezirken in der Nähe der Fabrik aus. Über die Miethöhe entscheidet allein der Vermieter. Diesen Monat weiß man nicht, ob die Miete im nächsten Monat steigt oder nicht. Neben der Miete gehören Lebensmittel zu den großen Ausgabeposten. Da das Kantinenessen mangelhaft ist, aß Fang oft mit KollegInnen außerhalb der Firma, und ein Essen kostete etwa 14 oder 15 Yuan.
Für ein Leben in Shenzhen hielt Fang einen Monatslohn von über 4.000 Yuan für angemessen. “Die Lebenshaltungskosten sich hier hoch. Wenn du nicht sparsam bist, kannst du kein Geld zurücklegen. Ich habe nicht viel gespart. Jeden Monat habe ich etwa 1.000 bis 2.000 Yuan. Wenn du dir was kaufen willst, ist das gleich weg. Offen gesagt reicht dieser Lohn gerade so zum Leben. Wenn es irgendein Problem gibt, hast du nicht genug, um das zu bezahlen.”
Shenzhen ist eine große Stadt, aber Fang hatte oft den Eindruck, dass kein Platz für ihn ist. Er schlug sich schon so viele Jahre in dieser Stadt durch, sparte am Essen und an der Kleidung, und konnte doch nur wenig zurücklegen. In dieser Stadt könnte er sich nicht mal einen Küche leisten. Es wird gesagt, man solle eine Familie gründen und Karriere machen, aber er hatte gar keine berufliche Karriere, und welche Frau würde ihn nur anschauen? Fang dachte wie so oft über diese Dinge nach und seufzte traurig.
Der Aufstieg klappt nicht
Fang war damals Mitarbeiter zweiten Ranges, arbeitete seit sechs Jahren bei Foxconn und war dennoch der Meinung, dass der Weg nach oben sei weit und kostspielig sei. “Früher habe ich
noch an eine Beförderung geglaubt, aber jetzt denke ich nicht mehr, dass das noch klappt. Mein Abteilungsleiter musste über zehn Jahre warten, bis er diese Position bekam. Das ist viel zu lange! Man braucht über zehn Jahre um 5.000, 6.000, 7.000 oder 8.000 Yuan zu verdienen. Das lohnt sich doch gar nicht! Er hat sich jetzt in der Nähe eine Wohnung gekauft und gemeint, er habe jetzt auch noch jede Menge Schulden. Wenn er das gewusst hätte, sagt er, wäre er nach Hause zurückgekehrt und hätte sich dort was gekauft.”
Der Weg nach oben ist nicht nur lang, er ist auch beschwerlich. Fang meinte, ihm fehle die Kraft, um weiter nach oben zu streben. Jeden Monat führt Foxconn Leistungsbewertungen durch. Die Vorgesetzten bewerten ihre Untergebenen. Die Kriterien sind streng, und wenn die Beschäftigten nicht aufpassen, werden ihnen Punkte abgezogen, was direkt Einfluss auf die Leistungsprämie und die Beförderungschancen hat. “In der Regel werden alle Beschäftigten monatlich von den Linienführern bewertet, die Linienführer wiederum von den Gruppenleitern usw. Eine Ebene bewertet die andere. Wenn du zum Beispiel Urlaub beantragst, wird das festgehalten. Ein Urlaubsantrag führt auf jeden Fall zu Punktabzug, egal ob es dabei um Krankenzeit geht oder richtigen Urlaub.” “Wenn du die täglichen Produktionsvorgaben nicht erfüllst oder die Qualität nicht stimmt, dann wirst du niedriger bewertet. Alles fließt in die Leistungsfeststellung ein.” “Für jede Fabrikabteilung wird die Leistung berechnet. Dann werden die Leistungen verschiedener Abteilungen miteinander verglichen, und so kann deine Abteilung besser oder schlechter abschneiden. Die Abteilungen werden also bewertet und verglichen, und dann wird innerhalb der Abteilungen bewertet und verglichen…”
Bei Foxconn hängt die Leistungsbewertung drohend über den Köpfen aller Beschäftigten, vor allem der unteren Führungskräfte. Die täglichen Produktionsvorgaben sind die Peitsche, die die Linienführer und Gruppenleiter antreibt. Nach sechs Jahren Arbeit bei Foxconn war Fang oft erschöpft, nicht nur körperlich sondern auch mental. Da war das tägliche Rumgerenne, angetrieben durch die ständig steigenden Vorgaben, der Körper immer in Bewegung, ohne Chance, den Geist mal ruhen zu lassen. Wenn er dann mal innehielt, spürte er eine nervöse Leere. Sechs Jahre seiner Jugend hatte er vertan, ohne dass er einen Hoffnungsschimmer sehen konnte.
Wo liegt die Zukunft?
Fang zögerte bei der Frage, wohin ihn sein Lebensweg führen soll. Der Weg über die Beförderungen bei Foxconn war zu langwierig, aber Foxconn zu verlassen, barg große Risiken. Sein vorläufiger Plan war, noch ein oder zwei Jahre bei Foxconn zu arbeiten und etwas Kapital anzusparen, um dann in die Heimat zurückzukehren und eine Firma zu gründen. Diese Idee kam ihm schon mehrmals in den Kopf, er schob das aber immer wieder vor sich her, weil es ihm schwer fiel, eine Entscheidung zu treffen. Er erzählte uns von einem Freund, der ein Geschäft eröffnet hatte: “Ein Freund von mir fragte mich mal, ob ich mit ihm zusammen ein Geschäft eröffnen will, aber ich wollte nicht mitmachen. Damals gab es ja diese Finanzkrise, und in Nullkommanichts hatte man Hunderttausende an Schulden. Zwei Freunde machten beide hohe Verluste. Ein Geschäft aufzumachen ist sehr teuer. Wenn es dann nicht läuft, verlierst du alles. Deswegen kehren viele in die Heimat zurück.” Wenn man in der Heimat ein Geschäft betreibt, ist man auch Risiken ausgesetzt. “Aber zu Hause gibt es Freunde, Verwandte, und man trägt die Verantwortung zusammen. Hier [in der Stadt] ist es schwer, alleine eine Firma zu gründen. Zu Hause kann man sich helfen, wenn Probleme auftauchen. Hier bist du auf dich alleine gestellt.”
In die Heimat zurückzukehren und ein Geschäft zu eröffnen ist unter den Foxconn-ArbeiterInnen der am weitesten verbreitete Zukunftsplan. Diese Perspektive erscheint den ArbeiterInnen als Ausweg und Fluchtweg: Sie lassen die niedrigen Löhne hinter sich, haben die Chance, reich zu werden, und entkommen der Not und den Gefahren der urbanen Welt. Auch wenn sie die Risiken nicht vorhersehen können, und es wenige bekannte Beispiele des Erfolges und viele Beispiele des Scheiterns gibt, tragen ArbeiterInnen weiter diese Hoffnung, diesen Traum auf eine erfolgreiche Firmengründung in sich. Fang sah genau darin den Sinn und Zweck seiner Rückkehr und Geschäftsgründung. Er wollte der Sinnlosigkeit der Arbeit und den hohen Belastungen entfliehen und war von dieser unbestimmten “Hoffnung” erfüllt.
Fußnote
1 Die Whampoa-Militärakademie wurde 1924 von der Chinesischen Nationalpartei (Guomindang) gegründet und bildete sowohl Führer der Guomindang als auch der Kommunistischen Partei militärisch aus – darunter auch der Vorsitzende der Guomindang und spätere Präsident Taiwans Chiang Kai-shek. (Anm. d. Ü.)