von Inicjatywa Pracownicza (Mai 2012)
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Was produzieren die ArbeiterInnen im Chung-Hong-Werk?
Kasia: Wir produzieren alle Komponenten der Mainboards für LG-Fernseher.
Mateusz: Wir führen auch Funktionstests durch. Wir benutzen Maschinen von Fuji und SMT-Technik. Mit Siebdrucktechnik tragen wir Lötpaste auf das nackte Laminat auf. Die Maschine ordnet dann die Komponenten auf dem Mainboard an und klebt sie fest. Das ganze Ding geht in den Ofen, wir löten die Komponenten und stecken manuell alle Teile auf, die nicht von der Maschine montiert werden können. Am Ende geht ein halbfertiges Produkt in die Funktionstests.
Was für eine Position hast du bei der Arbeit?
Mateusz: Ich arbeite zur Zeit als Seniortechniker. Bevor ich hier bei Chung Hong angefangen habe, haben Lukasz und ich in England gearbeitet. Das war eine heftige Erfahrung für uns, und deswegen sind wir vor ein paar Jahren nach Polen zurückgegangen. In der Fabrik überwache ich die Maschinen auf Fehlfunktionen, damit die Produktion reibungslos läuft. Ich prüfe auch, ob es auf den Mainboards irgendwelche Fehler gibt.
Kasia: Ich habe vorher illegal in Deutschland gearbeitet. Ich bin zurückgekommen, weil ich einen offiziellen Arbeitsvertrag haben und Rentenansprüche sammeln wollte. Bei Chung Hong habe ich als Operator angefangen, jetzt bin ich in der Qualitätskontrolle. Ich prüfe, ob unsere Produkte die Anforderungen der Kunden erfüllen.
Jola: Ich bin Senior-Operator. Ich trage Lötpaste auf die Boards auf und stecke Komponenten auf. Die Arbeit ist schwer. Ich muss sehr sorgfältig sein. Wenn ich einen Fehler mache, fliege ich raus.
Wie kommen die Leute mit solchen hohen Arbeitsnormen klar?
Mateusz: Es ist schwer, die vom Unternehmer aufgestellten Standards zu schaffen. Er berücksichtigt nicht, dass die Effizienz der Produktion von vielen Faktoren beeinflusst wird. Es reicht schon, dass das Material nicht an die Produktionslinie angeliefert wird oder dass Komponenten im Lager fehlen oder irgendeine Maschine einen Defekt hat – dann lässt sich die Norm nicht schaffen.
Kasia: Wenn du den Job nicht rechtzeitig schaffst, musst du an deinem freien Tag kommen. Aber selbst wenn wir die Anforderungen schaffen, kriegen wir keinen Bonus, sondern die Normen werden erhöht.
Wirkt sich die Erhöhung der Produktionszahlen auf die Produktqualität aus?
Lukasz: Die Regeln in der Fabrik sind flexibel. Wenn die Produktionszahlen erhöht werden, wird die Qualität irrelevant, dann zählt nur noch die Quantität. Die Fabrik stellt zusätzliche Techniker ein, die fehlerhafte Produkte reparieren, aber das reicht nicht, um die beste Qualität zu erreichen. In Zeiten niedriger Produktionszahlen dagegen achten wir sehr auf die Produktqualität.
Kasia: Es ist schon passiert, dass wir das Band angehalten haben, weil die Produkte Fehler hatten. Aber ein Manager hat das Band wieder angestellt. Hauptsache, es wird so viel wie möglich produziert.
Lukasz: Die Qualität leidet auch darunter, dass in Zeiten hoher Produktionszahlen neue ArbeiterInnen eingestellt werden. Sie kommen in die Produktion, ohne richtig angelernt zu werden.
Warum habt ihr eine Gewerkschaft gegründet?
Lukasz: Wegen der immer schlechteren Arbeitsbedingungen: Der Sozialfonds wurde abgeschafft; immer mehr ArbeiterInnen arbeiten mit befristeten Verträgen oder über Leiharbeitsfirmen; wir haben keinen Bonus und keine Jahresprämie bekommen; unsere Löhne sind schon seit langem nicht mehr erhöht worden. Einige verdienen immer noch weniger als den Mindestlohn.
Kasia: Früher gab es an Sonntagen einen Zuschlag von 200 Prozent. Jetzt gibt es für Überstunden und Feiertagsarbeit einen Zeitausgleich, der abgebummelt werden kann, wenn im Werk weniger zu tun ist. Alle anderen Bonuszahlungen wurden abgeschafft. Ostern hieß es, es gibt jetzt nur noch Weihnachtsgeld. Weihnachten wurde dann auch das Weihnachtsgeld abgeschafft mit der Begründung, wir sollten froh sein, dass die Fabrik überhaupt noch existiert. Es tut uns auch weh, dass wir wie Maschinen behandelt werden. Vor einiger Zeit war ich krankgeschrieben. Am ersten Tag hat mich der Direktor angerufen und gesagt, ich sollte nicht krank sein, weil die Fabrik dadurch Verluste macht. Ich sollte mich rechtfertigen und sofort in die Fabrik zurückkehren.
Jola: Außerdem wird ständig auf Kosten der Gesundheit der ArbeiterInnen gespart. Im Frühjahr und Sommer steigt die Temperatur in der Fabrik manchmal auf über 33 Grad. Leute werden ohnmächtig. Die Klimaanlage wird nicht angeschaltet, um Strom zu sparen. Daher haben die Leute oft miteinander darüber geredet, dass man eine Gewerkschaft gründen müsste. Wir mussten Schritte ergreifen, um gegenüber dem Unternehmer Stärke zu gewinnen.
Warum seit ihr der Arbeiterinitiative IP beigetreten?
Lukasz: Von der IP haben wir zum ersten Mal durch Flugblätter gehört, die von einer Arbeiterin in der Fabrik und in den Werksbussen verteilt wurden. Im Umkleideraum haben wir IP-Plakate gegen die Diskriminierung von Leiharbeitern gefunden. Das hat uns so mobilisiert, dass wir beschlossen haben, die Idee von der Gewerkschaftsgründung in die Praxis umzusetzen. Wir haben mehr Infos über die IP gesammelt und zusammen einen Konsens erreicht, dass wir es gut finden, wie diese Gewerkschaft funktioniert.
Mateusz: Vor allem gefiel uns, dass die IP nicht hierarchisch ist, kompromisslos auftritt und keine bürokratischen Strukturen hat, die unsere Aktivitäten behindern könnten.
Gosia: In den Sonderwirtschaftszonen gibt es nicht viele Gewerkschaften. Große Gewerkschaften interessieren sich nicht für diese Fabriken, weil viele ArbeiterInnen hier befristete Verträge haben. Für uns ist es wichtig, auch die LeiharbeiterInnen zu unterstützen, weil wir damit die Spaltungen zwischen den ArbeiterInnen überwinden und
unsere Position dem Unternehmer gegenüber verbessern wollen.
Wie hat der Unternehmer auf die Gründung der Gewerkschaft reagiert?
Kasia: In den ersten Monaten hat der Arbeitgeber nicht zur Kenntnis genommen, dass es bei Chung Hong eine Gewerkschaft gibt. Er hat unsere Briefe nicht beantwortet, er hat uns die Arbeitszeitregelungen und Lohntabellen nicht zugänglich gemacht, er hat uns unsere Fragen nach dem Sozialfonds nicht beantwortet, er hat uns weder zu Kündigungen
noch zu Änderungen an Arbeitsverträgen konsultiert. Ein halbes Jahr lang haben wir ein schwarzes Brett gefordert. Am Ende haben wir es bekommen, aber wir sollten auch einen Vertrag darüber unterschreiben, dass das Brett 60 Złoty im Monat kostet und wir die Inhalte, die wir aufhängen, mit der Geschäftsführung abstimmen müssen.
Jola: Weil der Unternehmer so viele Probleme gemacht hat, glauben andere ArbeiterInnen, dass wir nichts tun. Manche kommen oft zu mir und fragen, wann wir endlich anfangen, für eine Lohnerhöhung zu kämpfen. Ich antworte, dass ich gerne sofort anfangen würde, aber dass wir in den letzten Monaten nicht die Arbeitszeitregelungen und Lohntabellen vom Unternehmer bekommen haben. Wie können wir dann unsere Forderungen konkretisieren und die gewerkschaftlichen Forderungen formell ausdrücken?
Mateusz: Außerdem werden wir von der Geschäftsführung permanent kontrolliert und überwacht. Die Manager folgen uns wie Schatten, so dass wir nicht alle ArbeiterInnen erreichen und mit ihnen reden können. Nach Stunden der Arbeit kehren wir in unsere Wohnorte zurück, die bis zu 100 km auseinander liegen. Das macht es schwerer, ein Treffen außerhalb des Werkes zu organisieren. Seit Anfang an waren die Schwierigkeiten mit dem Informationsfluss ein großes Problem, und das macht auch unsere Gewerkschaftsaktivitäten schwieriger.
Ihr arbeitet schon seit vielen Jahren im Werk. Könnt ihr sagen, welche Methoden die Arbeiter benutzen, um mit den harten Arbeitsbedingungen klarzukommen?
Gosia: Als ich von Chung Hong eingestellt wurde, habe ich an einem Sichtplatz gearbeitet und große Komponenten getestet. Ich bin aber mit der Geschwindigkeit nicht hinterher gekommen, also habe ich einfach die Komponenten vom Wagen auf die Regale geladen. Ich habe keine Qualitätsprüfung gemacht, weil die Produktionslinie zu schnell für
meine körperlichen Fähigkeiten war.
Mateusz: Die von den Beschäftigten am häufigsten verwendete Methode ist Absentismus. Es gibt Leute, die alle paar Tage einen Krankenschein machen.
Kasia: Es ist auch schon passiert, dass Beschäftigte sich weigern, Überstunden zu machen. Vor kurzem sollten sich die Leute in einen Überstundenplan eintragen, aber alle haben das boykottiert. Natürlich hat die Reaktion des Chefs nicht lange auf sich warten lassen. Er hat bekanntgegeben, es gäbe Sonderbestellungen, und uns zu Überstunden gezwungen. Zur Zeit sind wir zu 150 Überstunden im Jahr verpflichtet.
Wie ist das Verhältnis zwischen Festeingestellten und Leute, die über Leiharbeitsfirmen beschäftigt sind?
Mateusz: Früher hatte die Mehrheit der Beschäftigten im Chung-Hong-Werk unbefristete Arbeitsverträge. Als dann der Produktion zurückgefahren wurde, wurden viele entlassen. Gemäß dem Gesetz über Massenentlassungen musste der Unternehmer ihnen Abfindungen zahlen. Seitdem werden mehr und mehr ArbeiterInnen über Leiharbeitsfirmen beschäftigt. Bei hohem Arbeitsanfall kommt über die Hälfte der Belegschaft von Leiharbeitsfirmen. Sie arbeiten höchstens drei Monate, bevor sie rausfliegen. Von den LeiharbeiterInnen, die der Gewerkschaft beitreten wollten, arbeitet hier keine/r mehr. Wir haben keinen Kontakt mit ihnen.
Lukasz: Wir haben uns lange gefragt, was wir tun können, um die LeiharbeiterInnen irgendwie zu unterstützen, aber wir haben keine Ahnung. Wir wissen nicht, wie wir sie verteidigen können. Einstellung über Leiharbeit ist eine echte Tragödie.
Gosia: Ich war bei einer Leiharbeitsfirma und ich habe die Spaltung zwischen Festen und Leiharbeitern als tief empfunden. Ich habe erfahren, dass die Festen keine engeren Beziehungen mit den Prekären eingehen wollen. Es macht keinen Sinn, sich mit ihnen einzulassen, weil sie eh nach zwei Wochen wieder rausfliegen.
Welche Pläne habt ihr für eure gewerkschaftlichen Aktivitäten bei Chung Hong?
Mateusz: Wir warten nicht auf Wunder. Wir bestehen aber darauf, dass unsere Löhne und Arbeitsbedingungen sich verbessern, und wir wollen respektiert und mit Würde behandelt werden. Wir werden die ständige Einschüchterung und Demütigung von ArbeiterInnen und die systematische Verletzung unserer Rechte stoppen.
Jola: Ich wollte dem Unternehmer schon oft zuschreien, was ich über ihn und die Arbeit bei Chung Hong denke. Ich wollte ihm sagen, dass die Arbeit hier mein Leben kaputt macht. Ich wollte das tun, auch wenn ich dadurch meinen Job verloren hätte. Letztlich hatte ich dann aber doch nie den Mut dazu. Jetzt schaffen wir zusammen eine Struktur, mit der wir das Verhältnis zwischen Unternehmer und ArbeiterInnen ändern können. Wir wollen diese Struktur zu einem guten Zweck benutzen und hoffen auf Erfolg. Alleine werden wir aber keine großen Veränderungen durchsetzen. Wir brauchen die Unterstützung von anderen ArbeiterInnen. Wir müssen zusammen und solidarisch handeln. Nur gemeinsam werden wir unsere Situation verändern.
Siehe den Artikel “Wir sind keine Maschinen!” – Kampf der ArbeiterInnen einer chinesischen Elektronikfabrik in Polen von FreundInnen von
Gongchao (März 2013)
Film zum Streik: SonderAusbeutungsZonen von SzumTV (2013, 48 Minuten, Polnisch mit deutschen Untertiteln)